Peter Famulla aus Beuthen O/S

Bei der Durchsicht von Beuthener Adressbüchern fand ich in den Exemplaren der Jahre 1924, 1934 und 1937 einen Famulla, Peter, Kutscher, der in der Tarnowitzer Chaussee bzw. der Ostlandstraße gewohnt hatte. Da auch mein Ururgroßvater Peter Famulla hieß und laut Stammbuch Brotkutscher gewesen ist, rechnete ich sofort im Kopf nach: Mein Urgroßvater Karl Paul Famulla ist 1884 geboren, d. h. sein Vater dürfte so etwa 1860 geboren sein. 1937 wäre er dann also ca. 75-80 Jahre alt gewesen.

Im Mai 2003 fand ich dann einen Artikel aus einem älteren Exemplar des "Beuthener-Gleiwitzer-Tarnowitzer Heimatblattes", in dem Joachim Kansy den Verkehrsunfall beschreibt, der zum Tode des oben erwähnten Peter Famulla geführt hat:

Aus dem "Oberschlesischen Wanderer" vom 15. September 1937

Lastzug und Fuhrwerk von der Brücke gestürzt

Der Kutscher und seine Pferde tot unter den Trümmern geborgen
Kraftwagenführer und Beifahrer schwer verletzt

Beuthen, 14. September.
Am Dienstag um 16,45 Uhr ereignete sich auf der Eisenbahnbrücke zwischen den Ortsteilen Bobrek und Karf ein schwerer Verkehrsunfall. Ein mit Gruben-Rundholz beladener Lastkraftwagen mit Anhänger fuhr von Bobrek in Richtung Karf. Er stieß beim Überholen eines in gleicher Richtung fahrenden zweispännigen Pferdefuhrwerks an der schwer übersichtlichen Kurve auf der Eisenbahnbrücke gegen das Fuhrwerk. Dieses wurde gegen das Mauergeländer der Brücke gedrückt und stürzte mit dem Kutscher und den beiden Pferden durch das eingedrückte Geländer auf die etwa sieben Meter tiefer gelegenen Rangiergleise des Eisenbahnkörpers. Der Lastkraftwagenführer hatte bei dem Zusammenstoß offenbar die Gewalt über den Kraftwagen verloren. Der Kraftwagen wurde mit dem Anhänger gegen das Mauerwerk geschleudert, das insgesamt etwa 15 Meter lang eingedrückt wurde, und stürzte gleichfalls mit dem Anhänger auf den Eisenbahnkörper herunter. Der Lastkraftwagen kam auf den Pferden und dem Fuhrwerk zu liegen, der Anhänger auf dem Lastkraftwagen. Der 62 Jahre alte Kutscher Peter Famulla aus Beuthen, Ostlandstraße 39, und die beiden Pferde waren sofort tot. Der Lastkraftwagenführer aus Gleiwitz und die neben ihm sitzenden Beifahrer Anton Rzepka aus Stroppendorf und Wilhelm Oschützky aus Eichenkamp stürzten mit dem Lastkraftwagen die Eisenbahnbrücke herunter. Der Lastkraftwagenführer und Rzepka wurden schwer, Oschützky leicht verletzt. Der Beifahrer Hermann Pissulla aus Stroppendorf, der auf dem Anhänger auf der Holzladung gesessen hatte, konnte noch im letzten Augenblick vom Anhänger auf die Brücke springen. Er blieb unverletzt. Der Eisenbahnverkehr wurde nicht gestört.


Tausende von Volksgenossen an der Unglückstelle

Der in seiner Art außergewöhnliche Unfall hatte Tausende von Volksgenossen herangelockt, die die Böschung des Eisenbahngeländes und die Zufahrtstraßen dicht belagerten. Als ein Glück war es zu bezeichnen, daß der Lastzug und das Fuhrwerk nicht auf einen fahrenden Zug fielen sondern auf dem Gleis das zur Hütte gehört, landeten. Die Bobrek - Karfer Freiwillige Feuerwehr, die gerade eine Übung abhielt, war bald zur Stelle, um schwere Arbeit, das Gleis freizubekommen, durchzuführen. Nach einer Stunde schwerer Arbeit hatten die braven Wehrmänner die beiden Gleise endlich frei bekommen. Gegen Schluß fand sich eine Lokomotive ein, die Hilfe leistete. Die Sanitätskolonne der Julienhütte war nach kurzer Zeit unter Führung von Direktor Avanzini zur Stelle und leistete die erste Hilfe. Die Polizei war ebenfalls bald zu Stelle, um die nötigen Absperrmaßnahmen durchzuführen, und die Staatsanwaltschaft, vertreten durch Staatsanwalt Dr. Eckert, Beuthen, und die Kriminalpolizei hatten sich gleichfalls an der UnfallsteIle eingefunden. Die Eisenbahnbrücke, die die Ortsteile Bobrek und Karf miteinander verbindet, war schon seit jeher bei den Kraftfahrern mit ihrer unübersichtlichen S-Kurve als Gefahrenstelle berüchtigt und auch die Bobreker Bevölkerung war sich über die Gefährlichkeit dieser Eisenbahnbrücke seit jeher im klaren. Schon mancher Meinungsstreit ist über die den Verkehr behindernde Linienführung der Brücke ausgetragen worden, die auch mit ihrem außergewöhnlich holprigen Pflaster dem Kraftfahrverkehr in Oberschlesien alles andere als förderlich ist. Hoffentlich ist dieser tragische Unfall die äußere Veranlassung, die Brücke so zu anzulegen, daß sie in Zukunft für die Kraftfahrer keine Gefahr mehr bedeutet.

Zufall führt Sohn des Toten an die Unfallstelle

Die Unfallstelle bot kurz nach dem Unfall ein wüstes Bild eines Trümmerhaufens. Zuerst wurden alle Anstalten getroffen, um den Chauffeur und den Kutscher aus dem Durcheinander hervorzuholen, was auch bald gelang. Leider konnte der Kutscher nur noch als Leiche geborgen werden. Als letztes Opfer des Unfalles wurde der zweite Fuchswallach, mit einem Genickbruch unter den Holzmassen vergraben, hervorgeholt.

Ein tragisches Schicksal wollte es, daß ein Sohn des tödlich verunglückten Kutschers Famulla mit einem Gespann die Bergwerkstraße in Bobrek-Karf passiert und, angelockt von den zur Unfallstelle strömenden Menschenmasse, sich aus Neugier auch an die Unfallstelle begab. Er mußte dort erfahren, daß sein Vater ein Opfer des Unfalles geworden ist.

Einsender: Joachim Kansy
Enkel des Peter Famulla


(Der nebenstehende Zeitungsartikel ist am 16.9.1937 im "Oberschlesischen Wanderer" erschienen.)

Durch einfaches Nachrechnen kann man nun sehen, daß dieser Peter Famulla ca. 1874/75 geboren ist und somit kaum der Vater meines Urgroßvaters Karl Paul Famulla (geboren 1884) gewesen sein kann.

Trotzdem kontaktierte ich Herrn Kansy, um näheres über seine Famulla-Familie zu erfahren. Schließlich war es denkbar, daß innerhalb ein und derselben Familie sowohl der Vorname des Vaters (Peter) auf das Kind übergegangen ist, als auch der Beruf (Kutscher/Brotkutscher). Jedoch konnten wir bislang keine gemeinamen Vorfahren finden.

Inzwischen habe ich auch herausgefunden, daß mein Ururgroßvater Peter Famulla 1886 verstorben ist. Interessant ist jedoch, daß auch er, wie die Vorfahren von Herrn Kansy aus der Gegend um Rosenberg stammten.