Aus dem "Oberschlesischen Wanderer" vom 15. September 1937
Lastzug und Fuhrwerk von der Brücke gestürzt
Der Kutscher und seine Pferde tot unter den Trümmern geborgen
Kraftwagenführer und Beifahrer schwer verletzt
Beuthen, 14. September.
Am Dienstag um 16,45 Uhr ereignete sich auf der
Eisenbahnbrücke zwischen den Ortsteilen Bobrek und Karf ein schwerer Verkehrsunfall.
Ein mit Gruben-Rundholz beladener Lastkraftwagen mit Anhänger fuhr von Bobrek in
Richtung Karf. Er stieß beim Überholen eines in gleicher Richtung fahrenden
zweispännigen Pferdefuhrwerks an der schwer übersichtlichen Kurve auf der
Eisenbahnbrücke gegen das Fuhrwerk. Dieses wurde gegen das Mauergeländer der
Brücke gedrückt und stürzte mit dem Kutscher und den beiden Pferden durch
das eingedrückte Geländer auf die etwa sieben Meter tiefer gelegenen Rangiergleise
des Eisenbahnkörpers. Der Lastkraftwagenführer hatte bei dem Zusammenstoß
offenbar die Gewalt über den Kraftwagen verloren. Der Kraftwagen wurde mit dem
Anhänger gegen das Mauerwerk geschleudert, das insgesamt etwa 15 Meter lang
eingedrückt wurde, und stürzte gleichfalls mit dem Anhänger auf den
Eisenbahnkörper herunter. Der Lastkraftwagen kam auf den Pferden und dem Fuhrwerk
zu liegen, der Anhänger auf dem Lastkraftwagen. Der 62 Jahre alte Kutscher Peter
Famulla aus Beuthen, Ostlandstraße 39, und die beiden Pferde waren sofort tot. Der
Lastkraftwagenführer aus Gleiwitz und die neben ihm sitzenden Beifahrer Anton Rzepka
aus Stroppendorf und Wilhelm Oschützky aus Eichenkamp stürzten mit dem Lastkraftwagen
die Eisenbahnbrücke herunter. Der Lastkraftwagenführer und Rzepka wurden schwer,
Oschützky leicht verletzt. Der Beifahrer Hermann Pissulla aus Stroppendorf, der auf dem
Anhänger auf der Holzladung gesessen hatte, konnte noch im letzten Augenblick vom
Anhänger auf die Brücke springen. Er blieb unverletzt. Der Eisenbahnverkehr wurde
nicht gestört.
Tausende von Volksgenossen an der Unglückstelle
Der in seiner Art außergewöhnliche Unfall hatte Tausende von Volksgenossen
herangelockt, die die Böschung des Eisenbahngeländes und die Zufahrtstraßen
dicht belagerten. Als ein Glück war es zu bezeichnen, daß der Lastzug und das
Fuhrwerk nicht auf einen fahrenden Zug fielen sondern auf dem Gleis das zur Hütte
gehört, landeten. Die Bobrek - Karfer Freiwillige Feuerwehr, die gerade eine Übung
abhielt, war bald zur Stelle, um schwere Arbeit, das Gleis freizubekommen, durchzuführen.
Nach einer Stunde schwerer Arbeit hatten die braven Wehrmänner die beiden Gleise endlich
frei bekommen. Gegen Schluß fand sich eine Lokomotive ein, die Hilfe leistete. Die
Sanitätskolonne der Julienhütte war nach kurzer Zeit unter Führung von
Direktor Avanzini zur Stelle und leistete die erste Hilfe. Die Polizei war ebenfalls
bald zu Stelle, um die nötigen Absperrmaßnahmen durchzuführen, und die
Staatsanwaltschaft, vertreten durch Staatsanwalt Dr. Eckert, Beuthen, und die Kriminalpolizei
hatten sich gleichfalls an der UnfallsteIle eingefunden. Die Eisenbahnbrücke, die die
Ortsteile Bobrek und Karf miteinander verbindet, war schon seit jeher bei den Kraftfahrern mit
ihrer unübersichtlichen S-Kurve als Gefahrenstelle berüchtigt und auch die Bobreker
Bevölkerung war sich über die Gefährlichkeit dieser Eisenbahnbrücke seit
jeher im klaren. Schon mancher Meinungsstreit ist über die den Verkehr behindernde
Linienführung der Brücke ausgetragen worden, die auch mit ihrem
außergewöhnlich holprigen Pflaster dem Kraftfahrverkehr in Oberschlesien alles
andere als förderlich ist. Hoffentlich ist dieser tragische Unfall die äußere
Veranlassung, die Brücke so zu anzulegen, daß sie in Zukunft für die
Kraftfahrer keine Gefahr mehr bedeutet.
Zufall führt Sohn des Toten an die Unfallstelle
Die Unfallstelle bot kurz nach dem Unfall ein wüstes Bild eines Trümmerhaufens.
Zuerst wurden alle Anstalten getroffen, um den Chauffeur und den Kutscher aus dem Durcheinander
hervorzuholen, was auch bald gelang. Leider konnte der Kutscher nur noch als Leiche geborgen
werden. Als letztes Opfer des Unfalles wurde der zweite Fuchswallach, mit einem Genickbruch
unter den Holzmassen vergraben, hervorgeholt.
Ein tragisches Schicksal wollte es, daß ein Sohn des tödlich verunglückten
Kutschers Famulla mit einem Gespann die Bergwerkstraße in Bobrek-Karf passiert und,
angelockt von den zur Unfallstelle strömenden Menschenmasse, sich aus Neugier auch an
die Unfallstelle begab. Er mußte dort erfahren, daß sein Vater ein Opfer des
Unfalles geworden ist.
Einsender: Joachim Kansy
Enkel des Peter Famulla
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